Mein Bauch gehört mir!

Woher kommen eigentlich die Vorschriften, die etwas anderes behaupten?

Im letzten Oktober schlug der Fall Kristina Hänel große Wellen: Die Frauenärztin wurde vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie auf ihrer Homepage Informationen zum Schwangerschaftsabbruch veröffentlichte. Sie soll eine Geldstrafe für Informationen über einen ambulanten oder medikamentösen Abbruch zahlen? Das scheint nicht nur auf den ersten Blick komisch. Möglich macht dies der Paragraph 219a und dessen Unterstützer*innen.

Das Informations- und Werbeverbot für Abbrüche

Eingeführt wurde er 1933 von den Nationalsozialist*innen und steht immer noch im Strafgesetzbuch (StGB). §219a StGB verbietet unter anderem das „Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen“ von „Diensten zur Vornahme oder Förderung eines Abbruchs“. Wer also informiert, riskiert aktuell im schlimmsten Falle eine Strafe bis zu 2 Jahren Haft.  Ausgenommen von diesem „Werbeverbot“ sind Beratungsstellen, die gesetzlich anerkannt sind. Davor steht der §218, welcher Abtreibungen generell illegal macht und nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei lässt, wie zum Beispiel der Teilnahme an einer gesetzlich vorgeschriebenen Beratung.

Der §219a führt dazu, dass zum Beispiel online sehr wenige Informationen über den Ablauf oder behandelnde Ärzt*innen vorhanden sind. Für die betroffene Frau, bringt das eine Menge Unsicherheit bezüglich des Verfahrens – gesetzlich und medizinisch. Hinzu kommt, dass man beim Googlen von „Abtreibung“ oder „Abbruch“ nicht selten auf Seiten stößt, die – untermalt von ekelerregenden Bildern – vom Kindermord oder sogar vom „Babycaust“ sprechen. Es wird der Frau das Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper abgesprochen – als wäre sie nicht in der Lage eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen.

Verschiedene Gruppen und strukturelle Gegebenheiten tragen dazu bei, dass trotz der aktuellen Debatte keine Reform oder gar eine Abschaffung des §219a in Sicht ist. Beispielsweise orientierte man sich bei der Erarbeitung des SchKG an der katholischen Auffassung über das menschliche Leben. Dies beginnt laut Amtskirche mit der Befruchtung – übrigens erst seit 1869, davor galt der Embryo frühestens nach 40 Tagen als „beseelt“.  

Widerstand gegen körperliche Selbstbestimmung

Neben diesen religiösen Motiven sind auch diverse Einstellungen Einzelner zu nennen, die besonders die Rechtsprechung beeinflussen. Zum Handwerkszeug der Richter*innen gehört zur Auslegung des StGB der Kommentar der Juristen Tröndle und Fischer. Alle Urteile gegen Ärzt*innen wegen des Verstoßes gegen 219a beziehen sich auf Tröndle/Fischer. Diese argumentieren, dass der Paragraf 219a verhindern soll, „dass die Abtreibung in der Öffentlichkeit als etwas Normales dargestellt und kommerzialisiert wird“. Inwieweit reine Information Kommerzialisierung sein kann, kann wohl durchaus in Frage gestellt werden. Weiterhin bleibt zu erwähnen, dass der verstorbene Tröndle ein erzkonservativer Abtreibungsgegner war – er engagierte sich in der Vereinigung „Lebensrecht“ und stellte in den 90ern die Schaffung des SchKG an den Pranger. Frauen würden sehr oft vom Partner oder dem Umfeld zur Abtreibung gedrängt oder genötigt werden – eigene Entscheidungen von Frauen kommen in seinem Weltbild scheinbar nicht vor. Fischer war 1999 Mit-Kommentator geworden. Er pflegt eine derbe Sprache – frauenverachtend und sexistisch. „Die ersten Berichte zur Sache, die ich in den TV-Kanälen sah, wurden allesamt von sehr betroffen blickenden Moderatorinnen mit Push-up-Brüsten und auf mindestens 80-mm-Heels »anmoderiert«.“

Europaweit stehen sichere und legale Abbrüche zur Diskussion

Mittlerweile organisieren sich Abtreibungsgegner*innen immer mehr europa- und weltweit. Zuletzt veröffentlichte das Europäische Parlamentarische Forum für Bevölkerung und Entwicklung einen Bericht über „Agenda Europe“ und warnt: Ihr Ziel ist ein Rollback sexueller und reproduktiver Rechte. Schwangerschaftsabbrüche sollen unter Androhung von Sanktionen verboten werden – auch wenn beim Austragen Risiken für die Gesundheit der Mutter bestehen oder sie vergewaltigt wurde. Die Mitglieder des Netzwerks sitzen im Vatikan, in verschiedenen europäischen Regierungen, im EU-Parlament und der EU-Kommission. Sie sollen umsetzen, was das Manifest vorschreibt: Bestehende Antidiskriminierungsgesetze sollen wieder abgeschafft werden, Verhütungsmittel, Schwangerschaftsabbrüche und gleichgeschlechtliche Sexualität sollen gesetzlich verboten werden. Sollte »Agenda Europe« erfolgreich sein, werden die Rechte ganzer Bevölkerungsgruppen in Europa massiv eingeschränkt und der soziale Fortschritt von Jahrzehnten zunichtegemacht.

Zwar formieren sich immer wieder Teile der Gesellschaft gegen Abtreibungsgegner*innen und Konsorten, in Irland wurde ein Abtreibungsverbot per Referendum gekippt und einschlägige Veranstaltungen wie der Marsch der 1000 Kreuze in Münster werden von Gegenprotesten begleitet, trotzdem bleibt für die Selbstbestimmung der Frau noch einiges zu tun und das schließt die Informationsfreiheit ein.   

Mona Schäfer, Stadtverband Mainz