…wenn es einfach normal wäre, als Frau Fußballfan zu sein: Interview mit dem Netzwerk F_in

Foto: Naz Gündoğdu

F_in hat sich 2004 gegründet, um Frauen im Fußball zu vernetzen, sichtbar zu machen und ihre Interessen sowie Positionen in Stellungnahmen oder Gremien nach außen zu vertreten. Mit einer der Aktiven, Antje Grabenhorst, die sich seit sieben Jahren im Netzwerk engagiert, haben wir ein Interview geführt.

Vielen Dank für deine Bereitschaft, dieses Interview mit der AJ zu führen. Was ist deine Aufgabe bei F_in und was macht ihr?

Ich habe bei F_in keine spezielle Funktion. Also klar, ich bin sehr aktiv und stoße einige Projekte an, bei denen F_in mitwirkt oder vertreten ist. Seit einigen Jahren bin ich selbständig und arbeite im Bereich Fußball, Antisexismus und Vielfalt. Hauptsächlich koordiniere ich die Fan.Tastic Females Wanderausstellung und gebe Vorträge sowie Workshops. Ich bin seitdem ich ein kleines Mädchen bin Fan von Werder Bremen und habe selbst 8 Jahre lang Fußball gespielt.

Wie setzt sich das Netzwerk F_in zusammen?

Wir sind ganz verschiedene Frauen, Fans, Fanprojektlerinnen, Fotografinnen, Spielerinnen usw. Hauptsächlich bewegen wir uns im Männerfußball, aber es gibt auch Interesse am Frauenfußball. Natürlich ist ein Grund, warum sich Frauen im Fußball überhaupt organisieren, dass es immer noch Klischees, Sexismus und Ausgrenzung gibt. Zusammen kann man besser dagegen vorgehen, außerdem haben wir ‘ne gute Zeit und blicken über den Tellerrand hinaus. Wir treffen uns nämlich bei unseren jährlichen Netzwerktreffen.

Woran arbeitet ihr momentan?

Wäre Corona nicht dazwischengekommen, hätten wir im Juni die F_in Konferenz mit vielen Vorträgen, Podien, Workshops zum Thema Fußball, Geschlecht und Vielfalt abgehalten. Die holen wir hoffentlich nächstes Jahr nach. Ansonsten arbeiten wir als Netzwerk nicht immer konkret an einem Projekt, sondern schreiben hier und da Stellungnahmen zu relevanten Themen oder sind als einzelne Mitglieder in Gremien vertreten, wie der AG Fankultur, bei dem Netzwerk “Unser Fußball” oder der Arbeitsgruppe Zukunft Profifußball. Ein paar von uns sind auch am FRÜF – Frauen reden über Fußball Podcast beteiligt oder engagieren sich im Netzwerk gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt, wo gerade eine Umfrage zu Best Practice Beispielen im Umgang mit sexualisierter Gewalt gestartet wurde. Alles, was wir so machen wird meistens in unserer Mailinggroup und auf Social Media diskutiert sowie geteilt.

Geisterspiele mit Konserven-Gejubel – Während Corona hat der Fußball sich verändert. Wie bewertet ihr das?

Natürlich haben wir nicht die eine homogene Meinung, aber es zeichnet unsere Mitglieder aus, dass wir kritisch und engagiert sind, so auch beim Thema Coronamanagement im Männerfußball. Corona hat die Ungerechtigkeit und das fehlende Interesse, die Basis des Fußballs – die Fans – einzubeziehen nur noch einmal deutlicher gemacht. Auch schon vorher gab es massive Probleme. Viele wünschen sich einen faireren Wettbewerb. Das heißt zum Beispiel auch eine fairere Verteilung von TV-Geldern, vielleicht auch so etwas wie eine Gehaltsobergrenze für Spieler*innen. Dann sind sehr zentrale Punkte die fangerechten Anstoßzeiten, faire Eintrittspreise und mehr soziale Verantwortung der Verbände und Vereine. Und vor allem wünschen sich alle, irgendwann wieder ins Stadion zu können – ohne Mindestabstand, Personalien abgeben zu müssen oder sonstige Überwachungsmaßnahmen. Corona ist ein guter Anstoß darüber zu reden, wie dieser Fußball aussehen soll.

Welche Erfahrungen habt ihr mit den mehrheitlich männlichen Gruppen, die sich rund um Fußball engagieren? Wie reagieren sie auf eure Forderungen?

Bisher haben wir noch keine maßlosen Beschwerden bekommen. Mit Gruppen, die außerhalb von Netzwerken engagiert sind, haben wir kaum Berührungspunkte. Kürzlich haben wir uns mit einer Frau solidarisiert, die bereits 2018 eine Vergewaltigung in einem Sonderzug zur Anzeige brachte und jetzt in zweiter Instanz doch nicht mehr Recht bekam. Unter unseren Stellungnahmen gibt es dann schon manchmal dumme Kommentare von Einzelpersonen und uns wird vorgeworfen, wir würden alle Männer über einen Kamm scheren. Ansonsten bekommen wir nicht so viel Gegenwind, sondern werden eher für unsere Arbeit geschätzt, habe ich den Eindruck.

Welche Perspektive hat eigentlich der Frauenfußball in Deutschland?

Ich bin absolut keine Expertin, aber sehe, der Frauenfußball hat in den letzten zehn Jahren, seit der WM 2011 in Deutschland, schon mehr Aufmerksamkeit bekommen. Aber er wird trotzdem immer mit dem Männerfußball verglichen, hintenangestellt und es gibt immer noch die bekannten Klischees und ‘ne unterirdische Bezahlung. Stichwort fairer Wettbewerb: Auch im Frauenfußball gibt es Teams, die vor allem bestehen können, weil die Männerabteilung gut aufgestellt ist und in anderen Vereinen werden sie dann mal eben aussortiert, wenn‘s für die Männer nicht so gut läuft. Oder die Frauen-EM wird dann für die Männer verschoben, aber andersrum wärs ganz sicher nicht so. Liegt auch an der Nachfrage, mit Sicherheit, aber auch am Angebot. Aber ich will gar nicht nur negativ darüber reden. Ich hab das Gefühl, da geht was und bin schon sehr froh, dass wir von einigen Klischees etwas weg sind und der Frauenfußball für einige immer interessanter wird.

Was wünscht ihr euch von männlichen Fans und den großen Vereinen? Wie können sie Frauen im Fußball supporten?

Manche männlichen Fans können ihre Vorurteile hier und da überdenken und Frauen im Fußball weniger prüfen oder unter die Lupe nehmen. Es wäre schön, wenn es einfach normal wäre, als Frau Fußballfan zu sein und nicht als exotisch, besonders sexy oder anders zu gelten. Vereine können gerne auf sexistische Werbung verzichten und beispielsweise gendersensible Sprache benutzen, damit sich alle angesprochen fühlen. Es geht dann weiter vom Merchandise ohne Glitzer und rosa bis hin zu Anlaufstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt. Ich denke, jede meiner Weggefährtinnen könnte das noch um ein paar schlaue Aspekte ergänzen.

Was hat sich in den letzten Jahren getan?

In den letzten Jahren sind Frauen im Fußball auf mehreren Ebenen viel sichtbarer und selbstverständlicher geworden. Tatsächlich fallen mir persönlich weniger krasse sexistische Entgleisungen sowohl von Vereinen oder Fanszenen auf, was nicht heißt, dass das komplett von der Bildfläche verschwunden ist. Ich denke, die Wanderausstellung Fan.Tastic Females – Football Her.Story, wo ich auch Projektkoordinatorin bin, hat viel zur Normalisierung von Frauen im Fußball beigetragen, Vorbilder sichtbar gemacht und weibliche Fans ermutigt, raus zu gehen mit ihren Ideen und ihrem Können. Es gibt wie gesagt inzwischen einen Podcast, es gibt Konferenzen, noch mehr Netzwerke und meines Eindrucks sind auch in den Fanszenen mehr Frauen als noch vor 15 Jahren aktiv.

Feministische und innerfeministische Auseinandersetzungen gibt’s ja auch außerhalb des Stadions. Wie bezieht ihr das in eure Arbeit ein?

Da wir zum großen Teil unseres Lebens natürlich außerhalb des Stadions leben, arbeiten und nachdenken, prägen Debatten wie MeToo oder der erweiterte Blick auf LGBTIQ auch unsere Diskussionen. Gerade bei der Erarbeitung des Handlungsleitfadens im Umgang mit sexualisierter Gewalt, an der einige F_ins mitgearbeitet haben, sind feministische Awarenesskonzepte eingeflossen. Wir sind an sich kein dezidiert gelabeltes feministisches Netzwerk, manche können mit Feminismus mehr anfangen, manche weniger. Dass wir trotzdem feministische Sachen machen, ist aber für alle okay. 🙂

Wie können sich feministische Kämpfe innerhalb und außerhalb des Stadions gegenseitig Impulse geben? Was kann der Feminismus außerhalb des Stadions von eurer Arbeit lernen?

Puh, schwierige Frage. Es wäre schon was, wenn Feministinnen Fußball nicht gleich als Männerdomäne verteufeln, sondern eher anerkennen, dass Fußball für uns ein wichtiger Teil unseres Lebens ist und wir auch hier Dinge anschieben und verändern können. Wir sitzen da quasi in einem Boot, denn das Patriarchat macht ja nicht vor den Stadiontoren Halt. Vorbildlich finde ich unsere überregionale und langjährige Vernetzung. Das hat sicherlich auch mit unserer offenen Struktur, wo alle mitmachen und sich einbringen können sowie dem Rahmen Fußball zu tun, wo es immer etwas zu diskutieren gibt. Ich finde es schon stark, dass so viele unterschiedliche Frauen, die an einem Wochenende noch in verschiedenen Blöcken stehen und sich möglicherweise anpöbeln, dann am nächsten Wochenende gemeinsam an etwas arbeiten. Vielleicht ist diese nachhaltige Arbeit und Vernetzung nichts fußballspezifisches, aber ich finde das schon eine sehr schöne Sache, die F_in für mich auszeichnet.

Die Fragen stellte Mona Schäfer, SV Mainz