Rätsel: Wie ostdeutsch bist du?

Auswertung

90 – 100 Punkte: Du bist ein Werktätiger wie aus dem Bilderbuch des sozialistischen Realismus. Du stehst ein für die “Fortsetzung der revolutionären Tradition der deutschen Arbeiterklasse” (Präambel der DDR-Verfassung) und kannst mit dem Arbeitsmarkt reingar nichts anfangen. Lenin wäre stolz auf dich. Aber du solltest aufpassen, die kapitalistischen Vermittlungsformen wie Geld, Ware, Rechtsstaat nicht ausschließlich als Verhüllung zu betrachten – sie bergen eine Freiheit und Milde, die nicht so leicht zu ersetzen ist, wie sie abgeschafft werden kann.

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„Lernen und Gedenken“: Rechtem Terror entgegentreten

Gewalt von Rechts setzt sich seit Ende des zweiten Weltkriegs kontinuierlich in Deutschland fort. Immer wieder kommt es zu Übergriffen, Gewalt und Terror von Rechts. Die rechte Gewalt in DDR und BRD, die #baseballschlägerjahre in den 90ern, die Morde und Anschläge des NSU, der Terrorangriff auf eine Synagoge und einen Dönerimbiss in Halle sowie auf unter anderem eine Shisha-Bar in Hanau sind dabei nur einige Beispiele. Rassismus und weitere Fragmente rechter Ideologien lassen sich nicht nur in der rechten Szene finden, sondern auch in breiten Teilen der Gesellschaft. Sie prägen damit gleichermaßen die Auseinandersetzung mit als auch die (Nicht-)Bearbeitung von rechter Gewalt und Terror: In gesellschaftlichen und politischen Diskursen wird der alltägliche rechte Terror nur selten auf seine Ursachen wie Rassismus und Sozialdarwinismus zurückgeführt – nachhaltige politische Handlungen und dauerhafte Thematisierung derartiger Ideologiefragmente (auch und besonders in staatlichen Institutionen) bleiben aus. Selbst wenn ein Ereignis in der Öffentlichkeit bekannt wird, sind die Taten und Opfer oft schnell wieder vergessen. So fällt es leicht, Kontinuitäten zu ignorieren. Wir wollen das nicht zulassen und dem Vergessen ein Lernen und Gedenken entgegensetzen.

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Die imaginären Blumen in der Kette und das Ende der DDR

Angeblich “sozialistische Bruderhilfe”, in Wahrheit Ausbeutung und Segregation – Vertragsarbeiter in der DDR / Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1984-0712-010 / Rainer Weisflog / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de

Über die Auswirkungen der „Wende“ und die Unsicherheit der Nachwendejahre wird bei der Erörterung des „inneren Stands der deutschen Einheit“ ja häufig geredet. Die Gutwilligen haben Mitleid, die Böswilligen sehen bloß „Jammer-Ossis“. Beide Ansichten erklären jedoch nichts. Die erste läuft zudem Gefahr, den Rechtsradikalismus und seine Gewalt nach 1990 zu relativieren („Er ist halt arbeitslos und ohne Perspektive geht er gerne mal auf Schwarze los. Man muss sich kümmern, man muss das akzeptieren, bei so viel Krise kann man schon einmal den Kopf verlieren.“ – Egotronic). Der zweiten erscheint es als Verrücktheit, dass sich die Ostdeutschen nicht permanent über die neue „Freiheit“ freuen – genauso verrückt wie das Nebeneinander von utopischem Beginn und dumpf-nationalistischem Ergebnis der Jahre ab 1989 (siehe auch Artikel “Der kurze Herbst der Utopie” auf Seite 2). Es erscheint mir daher hilfreicher, auf die „Wende“ der Wirtschaftsform zu schauen, also auf den Übergang von Staatssozialismus zu Kapitalismus. 

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Jugendkulturelle Umbrüche in Ost und West: Die Falken in den neuen Bundesländern nach 1989

Dreißig Jahre nach der politischen Wende in der DDR blickte das Archiv der Arbeiterjugendbewegung1 in seiner jährlichen Tagung im Januar 2019 auf das Jahr 1989 und den Aufbau sozialistischer Jugendorganisationen in den neuen Bundesländern zurück. Nicht nur das politische System hatte sich auf ostdeutschem, ja: osteuropäischem Boden verändert, alle Gesellschaftsbereiche waren mehr oder minder intensiv betroffen – nicht zuletzt jugendliche Lebenswelten. 

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  1. Es handelt sich hier um eine gekürzte Fassung eines Artikels zur Jahrestagung des Archivs derArbeiterjugendbewegung in Oer-Erkenschwick: Maria Daldrup/Sophie Reinlaßöder unter Mitarbeit von KatrinAugsten, Kalle Kusch, Jürgen Hitzges, Volker Honold, Eric Schley, Stephan Thiemann, Steffen Wiechmann:Jugendkulturelle Umbrüche in Ost und West. Einblicke in die Archivtagung 2019: „Der Aufbau sozialistischerJugendorganisationen in den neuen Bundesländern nach 1989“, Mitteilungen des Archivs derArbeiterjugendbewegung (2019) I, S. 13-29.

Ostdeutsch – was ist das eigentlich? Ein persönlicher Definitionsversuch

Trotz aller Beteuerungen, Verweise auf zeitliche Abstände und das Ende bestimmter Staaten bleibt eine Sache doch bestehen: Ich bin Ostdeutscher, Punkt. Es ist keine Eigenschaft, die man mir ansehen kann und durch mein antrainiertes Hochdeutsch kann man es mir auch nicht sofort anhören (zumindest, wenn ich mir Mühe gebe). Ich gehe auch nicht unbedingt damit hausieren (Freund*innen und Genoss*innen mögen das allerdings anders sehen). Es ist viel subtiler, es sind etwa Begriffe, die in der DDR verwendet wurden, wie Broiler, Plaste oder Sonnabend. Es sind die Geburtstagslieder, die ich zusätzlich kenne. Es sind die Geschichten, die ich von zuhause kenne und die mir DDR und Wende anders erklären, als es Geschichtsbücher können. Es ist das Gefühl, zu irgendwas dazuzugehören, das ich nicht so richtig erklären kann und das es so wahrscheinlich gar nicht gibt. Es ist die Erfahrung, dass viel über mich geredet wird und wenig mit mir.

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#baseballschlaegerjahre: Deutsche Kontinuitäten

Neunzehnhundertneunzig

Ende September 1990 war ich in der BRD gerade in die 11. Klasse gekommen und galt in meiner bildungsbürgerlichen Schule als das, was ein paar Jahre später nur noch „Zecke“ heißen sollte. Westdeutsch sozialisiert wurde mir vor der Wende oft empfohlen nach „drüben“ zu gehen. Das war die freundliche Variante. Die weniger Freundliche: in den Sack packen und über die Mauer werfen. Der Tag der deutschen Einheit stand erstmalig bevor. „Weltgeschichte“ wie mein Geschichtslehrer betonte. Die man feiern müsse. Ich war anderer Auffassung.

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„Wenn Mutti früh zur Arbeit geht…“ – Die zwiespältige Freiheit von Frauen in der DDR

Das heutige Bild vom Leben als Frau in der DDR ist stark davon geprägt, dass es eine enorm hohe Beschäftigungsrate unter Frauen gab: Ende der 1980er Jahre waren 91% der Frauen in der Deutschen Demokratischen Republik berufstätig. Wohlwollend betrachtet kann diese Tatsache als Beweis für die vorherrschende Geschlechtergerechtigkeit ausgelegt werden, denn Berufstätigkeit galt als Recht der Frau, das ihr materielle Unabhängigkeit verschaffte. Währenddessen hieß es im Gesetz der BRD noch bis 1976: „Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“ (§ 1356 BGB Absatz 1) 

Dass sich das emanzipierte Selbstbild der Frauen stark über ihre Identifikation mit der Vollzeit-Berufstätigkeit bildete, war jedoch nicht zuletzt Ergebnis einer ausgeprägten Propaganda in Fernsehen, Literatur und am Arbeitsplatz. Die Vereinbarkeit von Mutterrolle und Arbeitsplatz wurde zu einer Selbstverständlichkeit stilisiert, deren gesetzliche Rahmenbedingungen längst geschaffen worden seien. Tatsächlich schuf die DDR mit der Zeit eine fortschrittliche Sozialgesetzgebung in Bezug auf Ehe, Scheidungsrechte und später auch Abtreibungen. Trotzdem waren auch in der DDR Geschlechterrollen fest in das gesellschaftliche Denken zementiert.

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Ein kurzer Herbst der Utopie: Die gescheiterte Revolution von 1989

Wahlkampf: Vereinigte Linke und Marxistische Partei Die Nelken. Ohne Unterstützung aus dem Westen. ///
Bundesarchiv, Bild 183-1990-0311-013 / Weisflog, Rainer / CC-BY-SA 3.0

Der Medienrummel um den 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer fiel erwartungsgemäß überschwänglich aus. Eindrucksvolle Bilder von Deutschen, die sich voller Freudentränen in den Armen lagen, einprägsame Erinnerungen und natürlich allerlei Anekdoten aus Ost und West. Menscheln musste es, denn der Mauerfall und die Wiedervereinigung bilden bis heute den Dreh- und Angelpunkt der nationalen Erzählung des neuen deutschen Selbstbewusstseins. Die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR hat schließlich nicht nur bewiesen, dass der Sozialismus nicht funktioniert, sondern dass Ossis am Ende eben doch schon auch Deutsche sind.

Gerade diese neuen Deutschen bleiben aber die Problemkinder der Republik. Der Präsident appellierte, man möge nun endlich auch die Mauern des Hasses und der Entfremdung niederreißen, denn entfremdet hatte man sich in den letzten 30 Jahren. Der Aufstieg der „Alternative für Deutschland“ gerade im Osten, sowie diverse Umfragen, die den Ostdeutschen eine wachsende Distanz zu jenem Staat bescheinigen, dem sie damals doch freiwillig und voller Zuversicht beigetreten waren, machen die ostdeutsche Wiederdeutschwerdung zu einer eher zweifelhaften Erfolgsgeschichte.

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Ausgabe 1/2020: 30 Jahre Ende der DDR

Liebe Leser*innen,

nachdem wir uns schon bei Rosa & Karl im Januar mit der DDR, ihrem Ende und den Nachwirkungen bis heute beschäftigt haben, dreht sich auch diese Ausgabe der aj um das Thema. Ihr findet im Folgenden Artikel, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit dem Scheitern der Revolution in der DDR, den Erfahrungen in den 90er Jahren in Brandenburg und der Frage beschäftigen, was “ostdeutsch” heute eigentlich heißt. Außerdem schildert das Archiv der Arbeiterjugendbewegung, wie nach 1990 die Falken in den neuen Bundesländern wiedergegründet wurden. Schließlich könnt ihr am Ende nicht nur testen, wie ostdeutsch ihr eigentlich seid, sondern bekommt auch einen Rezeptvorschlag aus der Redaktion.

Neben dem Schwerpunkt gibt es neues aus dem Verband: Die AG “Lernen und Gedenken gegen rechten Terror”, die seit der Bundeskonferenz 2019 besteht, stellt sich und ihre Arbeit vor.

Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen

Eure aj-Redaktion

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